NORSA

Die SPD im Landtagswahlkampf 2005

Klarer Kurs oder Strategiewechsel?
Der SPD bleiben vier Wochen, um den CDU-Vorsprung wett zu machen
Von Markus Dufner
(Forts. von Titelseite) ... Ministerpräsident Peer Steinbrück (SPD) ist fest entschlossen, bis zum 22. Mai, 18 Uhr, um jede Stimme zu kämpfen. Dann endet der Urnengang zur Landtagswahl in Nordrhein-Westfalen. „Momentane Stimmungen sind noch keine Stimmen“, gibt sich der SPD-Spitzenkandidat trotz schlechter Umfragewerte gelassen. „Der Ausgang der Wahl entscheidet sich in den letzten 14 Tagen, denn rund ein Viertel aller Wahlberechtigten entscheidet sich erst dann, ob und wen sie wählen.“
Nach 39 Jahren roter Regierungen an Rhein und Ruhr – in den letzten zehn Jahren mit grüner Beteiligung – stehen die Zeichen nun auf Machtwechsel. Steinbrücks Probleme sind nicht so sehr die CDU-Programmatik und sein zuweilen strauchelnder Herausforderer Jürgen Rüttgers, sondern vielmehr die durch Hartz IV enttäuschte, traditionelle sozialdemokratische Klientel, die sich von der SPD abwendet. Es klingt ein wenig nach Apokalypse, wenn der Ministerpräsident vor einer Abwahl der SPD warnt: „Unter einer CDU-Regierung würde sich unser Land verändern. Die Achsen des Sozialsystems würden nachhaltig verschoben, Rechte der Arbeitnehmer geschwächt, gesellschaftliche Gräben würden vertieft.“

Steinbrück warnt vor „Raubtierkapitalismus“
Aber wohin schippert der alte SPD-Dampfer? Der auf Wahlplakaten angekündigte „klare Kurs“ von Käpt´n Steinbrück ist kurzfristig durch taktische Wendemanöver des Steuermanns Müntefering geändert worden. Hinter seiner Kapitalismus-Kritik vermuten die wenigsten einen Strategiewechsel. Die Sozialdemokraten müssen irgendwie Flagge zeigen, um Enttäuschte und Unentschlossene wieder ins Boot zu holen. In diesen Tagen sind vom Ministerpräsidenten, der nicht gerade im Verdacht steht, ein Linker zu sein, ungewohnte Töne zu hören. Die Marktwirtschaft sei in Teilen zu einem "Raubtierkapitalismus" ausgeartet. Verbandsvertreter der Wirtschaft hätten "nichts besseres zu tun, als nach der nächsten Steuersenkung sofort weitere Nachforderungen zu stellen". Nach der geplanten Senkung der Körperschaftssteuer schließt Steinbrück "definitiv" weitere Steuererleichterungen für Unternehmen aus, mahnt die "Standortverantwortung" an und kritisiert steigende Vorstandsbezüge.
Wie sein Vorgänger Wolfgang Clement reibt sich Steinbrück, der seit November 2002 im Amt ist, gerne am grünen Koalitionspartner. Vor zwei Jahren wäre das rot-grüne Zweckbündnis fast zerrissen, weil der Regierungschef dem kleineren Partner Änderungen in der Verkehrs- und Finanzpolitik zumutete. Kürzlich verprellte er die Grünen mit der Äußerung, im Falle eines Wahlsieges offen für andere Koalitionspartner zu sein. Doch angesichts der klaren Koalitionsaussage der FDP zugunsten der CDU ist dieser andere Partner nicht in Sicht.

Das Programm „Stärker werden. Menschlich bleiben“
Angesichts der innerparteilichen Nervosität könnte man meinen, die SPD wolle sich mit dem Motto ihres Wahlprogramms "Stärker werden. Menschlich bleiben" selber Mut machen. In der „kinder- und familienfreundlichen“ Bildungspolitik soll der Nachwuchs aus Migrantenfamilien und bildungsfernen Schichten früh gefördert werden. Die „Offene Ganztagsschule“ ist dazu prädestiniert, für Chancengleichheit unter den Grundschülern zu sorgen. Laut SPD-Programm soll in NRW „eine verlässliche Betreuungskette, beginnend bei den unter Dreijährigen bis zu den Dreizehnjährigen“, organisiert werden. Die Unterstellung der Opposition, die SPD wolle anstelle des dreigliedrigen Schulsystems die „Einheitsschule“ einführen, weist Steinbrück zurück. „Ich möchte nach dem Wahlkampf, wenn die Luft nicht so eisenhaltig ist, gerne mit Lehrern, Lehrerverbänden, Schülern, Eltern, Bildungseinrichtungen und vielen anderen eine nüchterne Debatte darüber führen.“ Um die Zahl der Studierenden weiter zu steigern, beharrt die SPD im Gegensatz zu Christdemokraten und Liberalen darauf, keine Studiengebühren für das Erststudium einzuführen.
Das Thema Arbeitslosigkeit wird im Wahlprogramm nur gestreift. Wegen der hohen Zahl von Arbeitslosen, schwacher Konjunktur, Steuerflucht, Schwarzarbeit und der Belastungen durch die deutsche Einheit müsse der Landeshaushalt mit schrumpfenden Einnahmen auskommen. Das bedeute sparen und das „Wünschenswerte vom Unverzichtbaren“ trennen. Dennoch erteilt das SPD-Programm „populistischen Forderungen nach genereller Arbeitszeitverlängerung und Lohnsenkung“, wie sie von der CDU erhoben werden, eine Absage.
In deutlichem Dissens zur Opposition steht auch die Energiepolitik der SPD. Im Einklang mit dem Energie- und Chemiekonzern RAG betrachten die Sozialdemokraten die Unterstützung des heimischen Steinkohle-Bergbaus als „eine Versicherung gegen Unwägbarkeiten auf den globalen Energiemärkten“. Wo CDU und FDP die Subventionen für Windkraft komplett streichen wollen, möchte die SPD eine höhere Akzeptanz durch modernere und leisere Windräder erreichen.
Möglicherweise hat Peer Steinbrück die richtigen Hobbies, um die Zeit bis zum 22. Mai, 18 Uhr, gut zu überstehen. Die Lektüre von Polit-Thrillern härtet das Nervenkostüm ab. Beim Schach lässt sich durch geschicktes Taktieren manch aussichtslos scheinende Partie noch umbiegen.

Steinbrück mahnt die Leistungselite
NRW-Ministerpräsident glaubt weiter an einen Sieg von Rot-Grün bei Landtagswahl
Von Markus Dufner
Köln - Der nordrhein-westfälische Ministerpräsident Peer Steinbrück hat die “wirtschaftliche Leistungselite” aufgefordert, eine Vorbildfunktion zu übernehmen. Die Offenlegung von Managergehältern, die eine zum Teil nicht mehr nachvollziehbare Höhe erreicht hätten, gehöre zur Transparenz dieser Gesellschaft.
Im Gegen-satz zu Baden-Württemberg soll es in NRW keine Abschaffung des Bafög geben. Auch Studiengebühren lehnte Steinbrück bei einer Podiumsdiskussion am Dienstag ab. “Bei uns wird es keine soziale Auslese über das Portemonnaie der Eltern geben.” Der Standard könne über einen Qualitätspakt mit den Universitäten gehalten werden.
Hinsichtlich der Landtagswahl am 22. Mai zeigte sich der SPD-Politiker zuversichtlich. Entscheidend seien die letzten beiden Wochen vor der Wahl. Wenn die sozialdemokratische Klientel mobilisiert würde, sei ein Wahlsieg von Rot-Grün möglich.
Steinbrück nannte es “eine gute Nachricht”, dass Außenminister Joschka Fischer am 25. April vor dem Visa-Untersuchungsausschuss aussagen werde. “Er soll die Verantwortung übernehmen, aber bei seiner Reputation glaube ich nicht, dass er zurücktreten muss.” Das Drehbuch der Opposition sei doch, Fischer als “Scharnier der Koalition” herauszubrechen.
Steinbrück sprach sich gegen die geplante EU-Dienstleistungsrichtlinie aus. “Ich habe von EU-Kommissar Verheugen die Zusage, dass der Entwurf so nicht überleben wird.”
Einen “sozialen Ausstieg aus der Steinkohle” werde es nicht geben, sagte der Ministerpräsident und dementierte damit noch einmal Formulierungen in der SPD-Zeitung “Vorwärts und in Flugblattvorlagen im Internet. Vielmehr solle ein “Sockel-Steinkohlebergbau” erhalten bleiben, unter anderem auch deshalb, weil Nordrhein-Westfalen “die beste Bergbau-Technologie” anbiete. “Es gibt hier viele Anlagenbauer, die diese Technologie in alle Welt verkaufen.”
(Alle Fotos: NORSA)

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