NORSA

Die PDS im Landtagswahlkampf

„PDS stärken und über den 22. Mai hinaus denken“
Interview mit dem PDS-Landessprecher NRW, Paul Schäfer
Paul Schäfer (56) wurde im Mai 2003 zum Landesprecher der PDS in Nordrhein-Westfalen gewählt. Der Diplom-Soziologe war in den 70er Jahren führend im MSB Spartakus tätig, arbeitete in den 80er Jahren in der Friedensbewegung, trat 1993 in die SPD ein und arbeitete als Referent für die Bundestagsabgeordneten Katrin Fuchs (SPD) sowie Gerhard Zwerenz (Parteiloser auf PDS-Liste), von 1999 bis 2002 bei der PDS-Bundestagsfraktion. Wegen der deutschen Beteiligung am Kosovo-Krieg verließ Schäfer die SPD 1999. Seit 2000 ist er Mitglied der PDS. Mit Paul Schäfer sprach Markus Dufner (NORSA).

NORSA: Bei der Landtagswahl vor fünf Jahren erreichte die PDS gerade mal 1,1 Prozent. Diesmal hat sie ihre Kräfte mobilisiert und kann in 116 der 128 Wahlkreise antreten. Mit wie viel Prozent für die PDS rechnet der Landessprecher am 22 Mai?

Schäfer: Wir wollen uns steigern, wir wollen möglichst an die zwei Prozent heran. Zu den Unwägbarkeiten gehört, ob die Angst vor einer „schwarzen Republik“ noch in letzter Minute potenzielle PDS-Wähler dazu veranlassen könnte, taktisch zu wählen – also für die SPD zu stimmen. Andererseits: Der Frust über die unsoziale Politik der Schröders und Steinbrücks sitzt tief.

NORSA: Im Gegensatz zu Ostdeutschland verfügt die PDS im Westen über keine feste Wählerbasis. Bei welchen Bevölkerungsschichten kann die PDS noch Wähler dazugewinnen?

Schäfer: Wir müssen im Westen erst einmal ein politischer Faktor werden, eine starke linke Alternative. Wir haben nicht wenig Aktive in sozialen Bewegungen wie Attac, Sozialforen etc. Es mangelt uns aber noch an Leuten, die „mitten im Berufleben“ stehen, den viel beschworenen Multiplikatoren. Bei der Kommunalwahl 2004 konnten wir gegenüber 1999 vor allem dort Zuwächse erzielen, wo die Arbeitslosigkeit hoch ist oder die Angst davor grassiert. Wir versuchen jetzt, die Wählerschaft in den eher alternativen, urbanen Milieus zu stabilisieren und möglichst viele Nichtwähler in den „Zonen der Prekarität“ [Anm. d. Red.: geringe Arbeitsplatzsicherheit] für uns neu zu gewinnen.

NORSA: Die Partei „Arbeit und soziale Gerechtigkeit – Die Wahlalternative“ will Arbeitslosigkeit bekämpfen, Sozialabbau stoppen und Reichtum besteuern – Ziele, die die PDS auch vertritt. Worin hebt sich die PDS da von der WASG denn ab?

Schäfer: Inhaltlich gibt es in der Wirtschafts- und Sozialpolitik tatsächlich große Übereinstimmung zwischen PDS und WASG. Die PDS arbeitet aber auf der Basis einer entwickelten demokratisch-sozialistischen Programmatik und hat sich gesellschaftspolitisch eindeutig links verortet. Das ist bei der WASG nicht so eindeutig. Möglicherweise liegt es daran, dass wir beispielsweise in der Schul- und Integrationspolitik sehr viel eindeutiger und bestimmter sind als die „Wahlalternative“. Wir werben in diesem Wahlkampf für konsequent linke Politik, und die ist rot und nicht gelb-rötlich.

NORSA: Wäre es nicht sinnvoll, dass die linken Kräfte in NRW ihre Kräfte bündeln, anstatt gegeneinander anzutreten?

Schäfer: Ich habe der WASG im Vorfeld der Landtagswahl einen Dialog über mögliche Kooperationen angeboten. Dies wurde aber mit der Begründung brüsk abgelehnt, die PDS sei eine Ostpartei, die es im Westen nicht ins Parlament schaffen würde. Die WASG geht ja davon aus, dass sie es schafft. Wenn man gesamtdeutsch und strategisch denkt, kommt man aber an der PDS nicht vorbei. Zugleich verlieren wir die Arbeit an einer größeren Einheit der Linken über den 22. Mai hinaus nicht aus den Augen.

NORSA: In ihrem Wahlprogramm gibt die PDS die angebliche Bürgerstimmung wie folgt wieder: „Bei der PDS stimmen Wort und Tat überein; bei denen wird das Soziale groß geschrieben.“ Nennen Sie mal ein paar konkrete Beispiele!

Schäfer: Wir engagieren uns auf kommunaler Ebene gegen die Privatisierung von gemeinnützigen Wohnungen oder Stadtwerken, unsere Fraktionen beraten Hartz-IV-Betroffene, in den Stadträten streiten wir an der Seite derer, denen Zwangsräumungen drohen. Dort, wo wir kommunal verankert sind, wissen die Bürgerinnen und Bürger, dass wir zu unserem Wort „sozial, mit aller Kraft“ stehen.

NORSA: Ministerpräsident Steinbrück verkündet auf Wahlplakaten: „Ich verspreche keine Arbeitsplätze, aber ich kämpfe jeden Tag um sie.“ Wie will die PDS neue Arbeitsplätze schaffen?

Schäfer: Wir fordern ein Förderprogramm „Dritter Sektor“ – jenseits von Markt und Staat - um damit, dem Beispiel Mecklenburg-Vorpommerns folgend, den Einstieg in einen öffentlichen Beschäftigungssektor zu organisieren. Es geht um existenzsichernde Beschäftigung in solchen Bereichen wie Stadtteilerneuerung, Soziale Dienste, soziokulturelle Einrichtungen. Das würde zu mehr Aufträgen der öffentlichen Hand und letztlich wieder zu höheren Steuereinnahmen führen. Grundsätzlich gilt nach wie vor: Geld wäre da, wenn man den Reichtum von oben nach unten umverteilt, die Vermögenssteuer einführt und die Unternehmensbesteuerung erhöht. NRW muss sich dafür im Bund stark machen. Um zu verhindern, dass die Unternehmen in die Nachbarländer und darüber hinaus abwandern, brauchen wir kategorisch eine Steuerharmonisierung auf EU-Ebene, aber selbstredend nicht auf niedrigstem Niveau.

NORSA: Welche Vorstellungen hat die PDS in der Bildungspolitik?

Schäfer: Die PDS NRW will „Eine Schule für alle“ bis zur zehnten Klasse mit differenziertem Förderangebot und pädagogisch qualifiziertem Ganztagsangebot. Dies ist eine Frage der sozialen Gerechtigkeit, der größtmöglichen Effizienz von Bildung und der größtmöglichen Teilhabe der Menschen am Freiheitsgut Bildung. Von den gleichen Prinzipien lassen wir uns auch leiten, wenn wir jeder Form von Studiengebühren ebenso eine Absage erteilen wie der direkten oder indirekten Umwandlung der Hochschulen in Wirtschaftsunternehmen.

NORSA: Herr Schäfer, was ist Ihre Prognose für die Landtagswahl?

Schäfer: Die Umfragen sprechen eine deutlich Sprache. Nach 39 Jahren SPD-Regierung liegt ein Wechsel in der Luft. Dass die Leute ausgerechnet auf den CDU-Kandidaten Rüttgers setzen, der keinerlei Ausweg aus der Beschäftigungskrise bietet, gehört zu den tristen Erscheinungen dieser Zeit. Umso wichtiger ist es, die PDS als konsequent soziale und kapitalismuskritische Partei zu stärken: Das Licht am Ende des Tunnels muss heller werden.

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