Wie kommen Journalisten mit dem Leid, das sie sehen, zurecht?
”Wir hatten auf Bergen von Felsbrocken gestanden und dabei gewusst, dass darunter Häuser, eine Kirche und vor allem immer noch die Leichen zahlreicher vermisster Opfer liegen.” Monika Hoegen, Journalistin, 1999 nach einer der schwersten Naturkatastrophen in Venenzuela
Sie berichten über Armut, Hunger, Krieg und Sterben. Sie liefern uns Bilder von Not und Elend. Doch haben wir, die Zeitungsleser, Radiohörer und Fernsehzuschauer, uns schon einmal gefragt, wie Reporter, Fotografen und Kameraleute mit diesem Leid zurecht kommen? Mögen sie körperlich unversehrt bleiben, so ist es längst nicht sicher, dass ihre Seele keine Verletzungen davonträgt.
“Erst wurde den Menschen das Leben gerettet, dann wurden sie abgeschoben.” Christoph Fleischer, Journalist, 2004 bei der Rettung schiffbrüchiger Flüchtlinge im Mittelmeer auf der Cap Anamur
Wieviel Nähe und Empathie braucht ein Reporter, um eine gute Story zu liefern? Sollen Journalisten den Menschen, über die sie berichten, auch direkt helfen? Diese Frage trieb Elias Bierdel um, der als ARD-Korrespondent über den Kosovo/Jugoslawien-Krieg berichtete. Nach dem Krieg hängte er seinen Job an den Nagel und arbeitete für das Notärzte-Komitee Cap Anamur. Was bewirkt die eigene Berichterstattung? Befriedigt sie Sensationsgier oder führt sie zu karitativem Engagement? Wie gehen Journalisten mit Traumata um? Brauchen Sie eine psychotherapeutische Begleitung? Wie können sie psychisch gesund bleiben?
“Auf eine Situation vorbereitet zu sein, ist für Journalisten ein großer Schutzfaktor. Sie sollten im Kollegenkreis über ihre Erlebnisse und Gefühle sprechen.” Cinur Ghaderi, Psychotherapeutin im Psychosozialen Zentrum für Flüchtlinge in Düsseldorf und Journalistin
Aber beides ist oft nicht möglich. Oft schicken Redaktionen oder Hilfsorganisationen Journalisten und Fotografen von einer Stunde zur anderen zur Berichterstattung in ein Katastrophengebiet. Für Monika Hoegen und den Fotografen Jürgen Escher, der sie nach Venezuela begleitet hat, stellt sich immer wieder die Frage: ”Wie beschreibt man eine Naturkatastrophe von fast unbeschreiblichem Ausmaß? Wie bereitet man das Unfassbare nachvollziehbar für die auf, die Zehntausende von Kilometern weiter nördlich in Weihnachtsstimmung um den Tannenbaum sitzen oder schon glanzvolle Millennium-Feiern vorbereiten?
“Journalisten werden zum Zielobjekt von Milizen. Dann hat man es nicht mehr mit einer Sekundär- sondern mit einer Primärtraumatisierung zu tun.” Sabine Hammer, Reporterin in Asien und Beraterin der Regierung von Osttimor
Auf dem Rückflug nach Deutschland lassen Monika Hoegen und Jürgen Escher das Erlebte noch einmal Revue passieren. “Viele der Bilder von Verwüstung, Zerstörung und Trauer erobern sich jetzt erst ihren festen Platz in unseren Köpfen - und werden wohl auch von dort nicht mehr zu verdrängen sein. Sie machen die Rückkehr in unsere intakte Heimat nicht leicht. Zumal wir, kaum wieder auf deutschem Boden, auch wieder mit deutschen Alltagsproblemen konfrontiert werden - und mit Menschen, für die das Geschehen in Venezuela einfach weit weg und damit wenig interessant ist.”
“Entscheidend ist, dass eine Geschichte mit Herz und Verstand gemacht wird.” Arnim Stauth, WDR-Korrespondent, geriet in Afghanistan in die Schusslinie zwischen Kämpfern der Nordallianz und der Taliban
Die BBC hat inzwischen ein Trauma-Training in ihre Journalisten-Ausbildung integriert. Zusammen mit dem Londoner Dart Centre werden zukünftige Redakteure und Manager in Rollenspielen auf den emotionalen Ernstfall vorbereitet. Auch in Deutschland ist das Interesse an diesem Thema erwacht. Arnim Stauth, der derzeit in der WDR-Auslandsredaktion Fernsehen arbeitet, nahm kürzlich als einer von 57 Interessierten an der Zentralen Fortbildung der Programmmitarbeiter von ARD und ZDF in Hannover teil. Der Einladung zu der Kick-Off Konferenz mit dem Titel “Trauma und Journalismus” folgten 57 Neugierige. Die Organisatorin der Konferenz Fee Rojas, selbst Journalistin und Therapeutin, war erfreut über die große Resonanz: "Das Jahr 2005 mit seinen großen Naturkatastrophen von Tsunami über Katrina bis Erdbeben Pakistan hat viele Reporter und auch manche Auslandschefs sensibilisiert." Markus Dufner / Maria Benning
|