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IHRE WAHLPRÜFSTEINE

Ich will eine Wahl! - aber nicht wählen gehen.

Es ist schade, dass es wieder nur ein Fake war: Der Anti-Wahl-Spot: "Geh nicht wählen", in der Kulturschaffende wie Bernhard Brink, Sarah Kuttner oder Detlef Buck von der Wahl abraten. Der Spot war nicht nur von einer amerikanischen Kampagne abgekupfert, er war auch ein durchsichtiger Trick, um für das Wählen zu werben: Durchsichtig war er, weil die Begründungen für das Nichtwählen allzu plump daher kamen: „Politiker sind alles Versager“, es „geht allen nur um Machterhalt“ oder „Scheiß auf die Wahl“. Schade, denn eine echte Diskussion um das Nichtwählen täte Not: Nichtwähler brauchen endlich eine Stimme!

Der folgende Spot mit Brink, Buck und Co, der die Anti-Wahl-Haltung auflöste, der offenbarte, dass den Machern dieser „Wahlwerbung“ für das Wählen auch keine besseren Argumente als gegen das Wählen eingefallen sind: „Eines der wenigen Momente, wo man sich ganz direkt in das Geschehen in einem Land einmischen kann”, „Es gibt so viele Themen, die man mitbestimmen möchte“, „Man muss ja nicht unbedingt die Bekloppten wählen“. Und weil die Gründe fürs Wählen derart überzeugend waren, wird auch noch ganz cool die Moralkeule geschwungen: „Schlechte Politiker werden von guten Bürgern gewählt, die nicht zur Wahl gehen“. Das mag lustig und selbstironisch inszeniert sein, aber letztlich ist es billiger und gedankenloser Konformismus.

Welche Wahl habe ich denn? Nicht generell und überhaupt, sondern bei dieser Bundestagswahl, wo uns die Demoskopen im Verein mit den Politikern, die bestimmte Koalitionen ausschließen, sehr deutlich sagen, was wir für eine Wahl haben. Nämlich die, ob wir Merkel mit dem Guido oder mit dem Frank-Walter haben wollen. Bitte, ist das eine Wahl?

Ich lehne diese Alternative ab, und möchte, dass meine Ablehnung dieser Alternative auch gezählt wird: Was es braucht ist eine Mindestwahlbeteiligung - es gibt Länder, die so was haben! 70 Prozent sollte sich eine gute Demokratie wert sein! Wenn weniger wählen, dann muss die Wahl wiederholt werden - gerne mit neuem Personal und neuen Programmen. Dann kann ich durch das Nichtwählen sagen: Das Angebot ist mir zu schmal, ich will nicht immer nur das kleinste Übel wählen, zumal das kleinste Übel das sofort als Zustimmung auffasst.

Mit einer Mindestwahlbeteiligung könnten ich und die, die ähnlich denken, vielleicht schon beim zweiten Wahlgang erreichen, dass der Frank-Walter und der Münte abtreten, und neue SPD-Leute um eine Mehrheit links von der Mitte kämpfen. Muss ich erst wieder vier Jahre warten und hoffen, ob ich dann eine Wahl habe? Dann ist das SPD-Personal vermutlich ausgetauscht, man gibt zu, was ein Blinder jetzt schon sieht, dass man doch die Linke für eine Mehrheit links von der Mitte braucht, und als Dankeschön wird die Linke die SPD auf dem Weg in die Mitte schon fast überholt haben. Dann darf ich zwischen Mitte-Rechts und Mitte-Halblinks wählen wie weiland schon 2005.

Dann käme mir freilich schon der trübsinnige Verdacht, dass man beim Wählen nicht nur im konkreten Fall, sondern auch generell nicht die ganz große Wahl hat. Darum: Ich lehne diese Bundestagswahl ab und möchte, dass meine Stimme auch gezählt wird.

Christoph Fleischmann, freier Journalist, www.christoph-fleischmann.de

Gehen Sie wählen? Wahlprüfsteine zur Bundestagswahl 2009

Sie wissen nicht, wen oder warum Sie wählen sollen? Dann schauen Sie sich mal die Wahlprüfsteine und “Zeugnisse” zur Bundestagswahl an.
Wahlprüfsteine und “Zeugnisse” sollen den Wählerinnen und Wählern helfen, sich vor der Wahl zu orientieren. Nichtregierungsorganisationen (NRO), Gewerkschaften und Lobbyorganisationen haben Parteien und Kandidaten vor der Bundestagswahl 2009 auf den Prüfstand gestellt. Vergleichen Sie Programme und Positionen der Parteien mit den NRO-Forderungen! Das sollte Ihnen helfen, sich am 27. September zu entscheiden.
Schreiben Sie an NORSA, ob Sie die Wahlprüfsteine nützlich finden. Machen Sie Vorschläge, welche anderen Wahlprüfsteine Sie empfehlen. Vielleicht haben Sie sogar eigene Prüfsteine, die dann auf der NORSA-Website publiziert werden. Schicken Sie eine Email an info@norsa.net (Stichwort: “Wahlprüfsteine”).


Wähler brauchen sich keine Sorgen zu machen: Es gibt ja Löw (oben links), Özdemir (oben), Gysi (unten links) und Westerwelle.


Vielversprechend! (alle Fotos: Dufner)

Clement ruft zur Wahl von  Westerwelle auf
Wolfgang Clement leistet mal wieder Wahlhilfe für die Konkurrenz. Der Ex-Ministerpräsident von Nordrhein-Westfalen, der im November 2008 nach 40jähriger Mitgliedschaft aus der SPD ausgetreten war, unterstützt “bei dieser Wahl mit meiner Stimme Dr. Guido Westerwelle”.
Clements Zeitungsanzeige erschien am Freitag im "General-Anzeiger" in Bonn - in Westerwelles Wahlkreis.
Clement, der Wirtschaftsminister im Kabinett Schröder war, schreibt in der Annonce, Deutschland müsse "wieder ein Land des Fortschritts" werden, in dem "verantwortete Freiheit von Wissenschaft, Forschung und Entwicklung uneingeschränkt gewährleistet wird". Clement hatte bereits bei der hessischen Landtagswahl von der Wahl der SPD-Spitzenkandidatin Ypsilanti abgeraten.

Nichtwählerpartei - ein Hirngespinst

Die Vorschläge und Beurteilungen hinsichtlich der Nichtwähler werden ja immer toller und bunter. Ist ja zum Teil ganz witzig und hat als Gedankenspiel durchaus einen gewissen Charme (Verlosung von Sitzen, Freibier dazu, würde ich noch fordern), aber mit Ernsthaftigkeit oder unserer Verfassungsrealität hat dies alles leider sehr wenig zu tun und kaschiert mehr, als es nützt.
Zunächst fehlt eine klare, nachweisbare Datenlage, welche Motive viele Menschen zum Nichtwählen veranlasst. Ganz sicher ist eine beträchtliche Anzahl schlicht uninteressiert, intellektuell überfordert oder ganz einfach zu bequem. Das muss man offen sagen dürfen und soll nicht heissen, das man diese Gruppe abschreiben darf.
Bleiben die "bewussten Nichtwähler". Von ihnen wissen wir nahezu nichts. Matthias Jung von den Forschungsgruppe Wahlen: "Warum die Bürger nicht zur Wahl gehen ist im Grunde noch immer unerforscht".
Aber genau dieser zufälligen und diffusen Gruppe wird leichterhand irgendeine gleichgerichtete Willensbildung oder Motivation unterstellt. Die "Partei der Nichtwähler" entsteht. Das ist Hokuspokus!
Im übrigen wird das Pferd vom Schwanz her gezäumt.Es werden Verantwortlichkeiten, Ursache und Wirkung auf den Kopf gestellt. Die einen (Spitzenkandidaten/Partei-Vertreter/Wahlkreiskandidaten) touren über Strassen und Plätze, strampeln sich ab und werben für sich und ihr Programm, so gut es eben geht oder als richtig erachtet wird. Dafür soll´s dann neben Spott und Häme nachher noch die Wahlniederlage auf Rezept geben, nämlich gegen die "Partei der Nichtwähler", deren immaginäre Protagonisten vor und nach der Wahl doch eigentlich in der Hängematte verbleiben.
Aber nicht diejenigen sind "schuld", nein, die gewählten Abgeordneten sollen auf ein mal weniger legitimiert sein! Sind die Abgeordneten dann gar nicht mehr legitimiert, falls eines traurigen Tages 51% der Wahlberechtigten nicht mehr Wählen gehen, oder was? Sperren wir dann den Reichstag/Bundestag zu??
Wieso verlosen wir nicht gleich alle 598 Sitze? Am besten mit der entsprechenden Zahl von Hängematten gleich dazu.
Nein, nein, jeder hat die Möglichkeit sich an der politischen Willensbildung zu beteiligen. Vorliegend als Wähler. Es standen 29(!) Parteien zur Wahl, von ganz weit rechts bis ganz weit links, um im überkommenen politischen Koordinatensystem zu bleiben. Ich kann einfach nicht verstehen, wie da nichts zu finden sein sollte, was meiner Stimme wert ist, so elitär muss man wohl fragen.
Und wenn tatsächlich gar nichts in Frage kommt, kann ich ja mit relativ geringem Aufwand eine eigene Partei gründen, die mir und meinesgleichen hauteng auf den Leib geschneidert ist.
Aber wer sich verweigert, hat zwar sein Recht wahrgenommen, Wahlverzicht zu üben, bitteschön, soll sich dann aber bitte nicht beklagen, wenn er nicht gehört und seine Stimme nicht extra gezählt wird. Er soll dann bitte auch nicht darüber lamentieren, dass es so ist, wie es ist und dass sich nichts ändert. (Überhaupt scheint mir dieses Verhalten des "Motzen und Moserns" hierzulande eine der herausragenden Untugenden überhaupt zu sein. Oft genug noch völlig unreflektiert und obendrein uninformiert).
Umgekehrt sind die Parteien, denen es nicht gelingt "ihre" Wähler ausreichend zu mobilisieren an ihrerm schlechten Abschneiden ebenfalls selbst schuld. Sie kriegen dafür ja schließlich dann auch die Quittung.
Klar sollten sich die politischen Parteien bemühen, möglichst viele/alle Menschen "mitzunehmen", aber das steht auf einem anderen Blatt. Und so einfach ist das alles nicht. Ist eine Partei inhaltlich zu breit aufgestellt (eben um ein Angebot an möglichst viele zu machen), setzt sie sich dem Vorwurf der Beliebigkeit aus, fokusiert sie sich auf wenige Themen schallt es abwertend "Klientelpartei". Manchmal freilich zu recht. Ferner ist die Tatsache, dass den Parteien ausreichend Zugpferde -will sagen charismatisches Spitzenpersonal- fehlt, allenfalls zu beklagen, aber nicht so schnell und einfach zu ändern. Vieleicht auch besser so, wenn man die Verführbarkeit der Menschen bedenkt ...
Die geringe Wahlbeteiligung hat viele Ursachen und ist ganz gewiss aüßerst bedauerlich, aber eine Realität, an der man sich nicht vorbeischummeln kann und soll.
Das plakative "Wahlsieg für Nichtwähler" mag vielleicht ein populäres Sprüchlein, ein knalliger Boulevard-Satz sein, auf den viele anspringen, geht aber an der Realität und dem Kern des Problems vorbei. Diese Schein-Feststellung wird auch nicht richtiger, je öfterer sie nachgeplappert oder von seriösen/renommierten Zeitungen übernommen wird.
Es handelt sich hier um ein Hirngespinst!

Andreas Dufner, Berlin / Grafik: Institut für Wahl-, Sozial- und Methodenforschung

Lieber Markus Dufner,

was erwartet uns in Sachen Atomkraft nach der Wahl? Die Kommentarspalten der Zeitungen liefern eine einfache und zunächst plausible Antwort: Gewinnt schwarz-gelb, sind Laufzeitverlängerungen die unabwendbare Konsequenz. Sind dagegen SPD oder Grüne an der Regierung beteiligt, werden sie den vereinbarten Atomkonsens mit Zähnen und Klauen verteidigen. Doch diese Sichtweise übersieht einen wichtigen Teil der atompolitischen Gleichung: die Öffentlichkeit, die Anti-Atom-Bewegung, uns!
Wenn der Protest nach der Bundestagswahl so vielfältig und stark weiter geht, wie er vor der Wahl begonnen hat, gibt es bei jedem Wahlausgang die Chance, den Ausstieg zu sichern oder gar zu beschleunigen. Denn auch eine schwarz-gelbe Bundesregierung wird den Atomausstieg nicht antasten, wenn der öffentliche Widerstand groß genug ist. SPD und Grüne werden nach der Wahl den Ausstieg nur mit aller Entschiedenheit umsetzen, wenn die Öffentlichkeit dies auch lautstark fordert.
Campact wird alle Hebel in Bewegung setzen, damit der Ruf "Atomkraft jetzt abschalten!" auch in den Tagen, Wochen und Monaten nach der Bundestagswahl nicht verhallt. Wenn sich die Koalitionäre zur ersten Verhandlungsrunde in Berlin treffen, werden wir uns mit hunderten Menschen rund um das Verhandlungsgebäude warm laufen für die kommenden Proteste. Den Verhandlungsführern machen wir joggend oder walkend, skatend oder radelnd, gemütlich spazierend oder mit dem Rollstuhl klar: Wer eine Renaissance der Atomkraft einläuten will, erlebt die Anti-Atom-Bewegung in neuer Bestform.
Sollte die Wahl eindeutige Mehrheiten ergeben, dann müssen wir die Aktion innerhalb weniger Tage zusammen mit unseren Kooperationspartnern, dem BUND und der Kampagne .ausgestrahlt aus dem Boden stampfen. Kurzfristig müssen Mobilisierungsanzeigen geschaltet, Transparente und Plakate entworfen und hunderte T-Shirts für die Aktionsteilnehmer/innen gedruckt werden. Das alles kostet viel Geld.

Unterstützen Sie die Aktion mit Ihrer Spende!

Dass das Thema Atomenergie überhaupt zum profiliertesten Wahlkampfthema geworden ist, war kein Selbstläufer, sondern Erfolg einer gemeinsamen Kraftanstrengung von Anti-Atom-Bewegung und Umweltverbänden. Auch Campact hat dazu wichtige Beiträge geleistet: mit der eindrucksvollen Umzingelung des Atomforums im Februar, der Erklärung "Atomkraft jetzt abschalten!" mit bald 120.000 Unterzeichner/innen, der Mitorganisation der bundesweiten Anti-Atom-Demo mit weit über 50.000 Menschen in Berlin, unserer bundesweiten Endsuche in 12 Städten und jüngst den Anti-Atom-Flashmobs auf Wahlkampfveranstaltungen.

Schauen Sie unseren Film über unsere jüngsten Aktivitäten!

Mit herzlichen Grüßen
Christoph Bautz, campact.de

PS. Wir haben für Sie ausführlich analysiert, wie es nach der Wahl bei den verschiedenen möglichen Koalitionskonstellationen in puncto Atomausstieg, Endlagerung, Neubau von AKWs und Ausbau der Erneuerbaren weitergehen könnte.

Lesen Sie unsere Analyse!

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